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Gerinnungsstörung in der Zahnarztpraxis

Menschen mit einer gestörten Blutgerinnung (Gerinnungsstörung) werden in der Zahnarztpraxis immer als Risikopatienten eingestuft. Denn selbst bei routinemäßigen und vergleichsweise harmlosen Zahnbehandlungen wie dem Einsetzen einer Füllung oder dem Entfernen von Zahnstein bei der zahnärztlichen Prophylaxe kann es zu Blutungen kommen. Und bei größeren Eingriffen, z. B. dem Ziehen eines Zahns, dem Einsetzen eines Implantats oder einer Wurzelbehandlung, ist es ganz normal, dass der Patient blutet. 

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Während die Blutung bei einem Menschen ohne Gerinnungsstörung jedoch gut zu kontrollieren ist und nach kurzer Zeit von selbst zum Stillstand kommt, dauert die Blutgerinnung bei Risikopatienten mit einer Gerinnungshemmung wesentlich länger oder bleibt ganz aus. Dieser Faktor kann die zahnärztliche Behandlung nicht nur verkomplizieren, sondern je nach Schwere der Störung eine ernste Gefahr für den Patienten darstellen. Daher ist es wesentlich, dem Zahnarzt rechtzeitig eine bekannte Gerinnungsstörung mitzuteilen, damit er sich schon bei der Behandlungsplanung danach richten kann. Ist eine sichere Behandlung in der Praxis nicht möglich, kann er den Risikopatienten zu einem Spezialisten mit dafür ausgestatteten Praxisräumen oder in eine Fachklinik überweisen.

Welche Gerinnungsstörungen gibt es?

Die Blutgerinnung oder Hämostase läuft in mehreren Phasen ab. Viele Gerinnungsfaktoren – vor allem Proteine – wirken bei diesem komplexen Vorgang mit. Das Blutgerinnsel, das sich dabei bildet, verschließt die Wunde und sorgt dafür, dass nicht zu viel Blut verloren geht und die weiteren Heilungsprozesse (sekundäre Wundheilung) störungsfrei ablaufen können. 

Bei Störungen der Blutgerinnung gibt es grundsätzlich zwei Formen: Entweder ist die Gerinnungsfähigkeit des Blutes zu hoch oder zu niedrig. Riskant bei der Zahnarztbehandlung ist vor allem eine zu geringe Blutgerinnung bzw. Gerinnungshemmung. Denn diese geht mit einer erhöhten Blutungsneigung einher, die dazu führt, dass Wunden viel stärker und/oder länger bluten, da sie nicht oder nur sehr langsam durch geronnenes Blut verschlossen werden. Das beeinflusst auch die sekundäre Wundheilung, etwa durch längere Heilzeiten oder ein erhöhtes Infektionsrisiko. 

Es gibt verschiedene Arten von Gerinnungsstörungen, die angeboren oder erworben sein können. Die schwerste und auch allgemein bekannteste ist Hämophilie, die sogenannte Bluterkrankheit. Da diese seltene Erbkrankheit über das männliche Geschlechtschromosom (Y-Chromosom) vererbt wird, sind fast nur Männer davon betroffen. Nach Schätzungen leben weltweit ca. 400.000 „Bluter“, also Menschen, die mit Hämophilie geboren wurden. Die häufigste, wenn auch namentlich weit weniger bekannte angeborene Gerinnungsstörung ist das Von-Willebrand-Syndrom, an dem etwa eine von hundert Personen leidet. 

Zu den erworbenen Gerinnungsstörungen gehören krankheits- oder medikamentenbedingte Gerinnungshemmungen, z. B. durch Diabetes, Lebererkrankungen oder die Einnahme von Antikoagulantien („blutverdünnenden“ Medikamenten) zur Vorbeugung oder Therapie von Herzkrankheiten und Gefäßverschlüssen (Thrombosen). Ein sehr bekanntes gerinnungshemmendes Mittel ist Marcumar, aber auch Acetylsalicylsäure (ASS, enthalten u. a. in Aspirin) verringert die Gerinnungsfähigkeit und erhöht so die Blutungsneigung. 

Auch das Alter des Patienten ist ein Faktor, denn mit zunehmendem Alter verlangsamen sich die Prozesse im Organismus und werden störungsanfälliger, darunter Stoffwechsel- und Zellvorgänge und häufig auch die allgemeine Durchblutung sowie die Blutgerinnungsfähigkeit. Daher beobachten viele Senioren an sich eine im Vergleich zu früher stärkere Blutungsneigung und verzögerte Wundheilung. Das ist unter anderem beim Einsetzen von Implantaten für implantatgestützte Prothesen zu beachten, aber auch bei der Anpassung und regelmäßigen Kontrolle von herausnehmbarem Zahnersatz. Die Prothese sollte optimal sitzen und regelmäßig gründlich gereinigt werden, um Druckstellen und chronischen Infektionen vorzubeugen. Auch in der Alterszahnmedizin können gute Aufklärung, Prophylaxe und Prävention den Patienten vielfach Schmerzen, Stress und langwierige Behandlungen ersparen.

Sichere Zahnbehandlungen für Menschen mit Gerinnungsstörungen

Wesentlich für eine sichere Behandlung ist, dass der Zahnarzt über die Gerinnungsstörung informiert wird. Bei Hämophiliepatienten ist das grundsätzlich gegeben, denn wer unter der Bluterkrankheit leidet, weiß das auch und ist daran gewohnt, sich in allen erdenklichen Lebenssituationen danach auszurichten. Je nach Schweregrad der Krankheit (es gibt drei Schweregrade der Hämophilie) kann der Zahnarzt das Risiko selbst einschätzen oder sich vor der Behandlung mit dem behandelnden Hämatologen oder Internisten absprechen. 

In vielen Fällen können spezielle Medikamente, die vor der Behandlung gegeben werden, dabei helfen, zahnärztliche Eingriffe auch für Bluter gefahrlos durchzuführen. Dabei muss der Zahnarzt auch darauf achten, dass während der Behandlung kein Blut verschluckt wird oder in die Atemwege gerät. 

Menschen, die unter dem Von-Willebrand-Syndrom leiden, wissen dagegen oftmals gar nicht, dass bei ihnen eine Gerinnungsstörung vorliegt. Denn hier sind die Symptome – z. B. häufiges Nasenbluten, eine verstärkte Neigung zu blauen Flecken, insgesamt länger und stärker blutende Wunden – viel leichter und werden oft gar nicht als Krankheit wahrgenommen. Trotzdem können sie bei zahnmedizinischen Eingriffen zu Komplikationen führen; der Zahnarzt sollte also in jedem Fall beim Beratungsgespräch danach fragen, und der Patient sollte in seinem eigenen Interesse wahrheitsgemäß antworten. 

Die Zahl der Patienten, die gerinnungshemmende Medikamente nehmen, nimmt stetig zu. Dasselbe gilt für die Anzahl der Diabetiker – Diabetes gilt mittlerweile als Volkskrankheit. Daher sind auch Zahnärzte für diese Themen sensibilisiert und wissen, was im Umgang mit Risikopatienten zu beachten ist. Viele Krankheiten und Medikamente, die die Durchblutung und Blutgerinnung beeinflussen, haben darüber hinaus weitere Auswirkungen auf die Mund- und Zahngesundheit, die nicht nur bei ambulanten Eingriffen, sondern generell bei Zahnbehandlungen, Zahntechnik und Zahnersatz (Prothetik) berücksichtigt werden müssen. 

Das Absetzen der blutverdünnenden Medikamente vor dem Eingriff bzw. der Zahnbehandlung ist in aller Regel nicht empfehlenswert und bei Patienten mit hohem Thrombose- oder Embolierisiko sogar ausdrücklich untersagt. Dann liegt es in der Verantwortung des Zahnarztes, bei einem Eingriff mit erwarteter Blutung geeignete Maßnahmen auszuwählen und seinen Patienten ausführlich zu beraten – nicht nur über den geplanten Behandlungsablauf, sondern auch zum richtigen Verhalten nach dem Eingriff, damit die Heilzeit problemlos verläuft und nicht länger dauert als nötig. 


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